Von Sonja Bertram
Der Artikel wurde in der Zeitung Spinnrad [2/2022] veröffentlicht. SPINNRAD ist die Zeitung des Internationaler Versöhnungsbund – österreichischer Zweig und erscheint vierteljährlich und informiert über aktuelle Ereignisse zur aktiven Gewaltfreiheit.
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Rund 22 Leute, die meisten zwischen 20 und 30 Jahre alt, kamen vom 1. bis 6. Juni in den Kosovo, um in der Stadt Mitrovica an einem Projekt zu Antimilitarismus teilzunehmen.
Das Seminar “Methods against war“ wurde gemeinsam von SCI (Service Civil International) Österreich und GAIA Kosovo organisiert und über Erasmus + von der EU gefördert. Im Fokus stand der Austausch und das Ausprobieren von verschiedenen Methoden, die im Kontext von Anti-Militarismus verwendet werden können sowie die Vernetzung für kommende Projekte.
Die Teilnehmenden kamen aus zehn verschiedenen Ländern (England, Frankreich, Griechenland, Italien, Kosovo, Nordmazedonien, Österreich, Serbien, Spanien und Zypern) und hatten unterschiedliche Vorerfahrungen mit dem Seminarthema. Einige konnten zum Beispiel durch ihre Mitgliedschaft und zum Teil Anstellungen in Organisationen zu dem Thema beitragen, andere aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit und wieder andere durch ihr Studium oder persönliches Interesse. Auf diese Weise entstand ein reger Austausch.
In kurzer Zeit wurden Workshops vorbereitet und gehalten, ein Public Event organisiert und die ausprobierten Methoden in der Erweiterung eines Toolkits, welches 2019 in Wien im Zuge des Projekts „Peace on the Streets“ erstellt wurde, festgehalten. Zuerst wurde jedoch viel Zeit dem Kennenlernen und der Frage, wie wir die Woche gestalten können, damit sich alle wohl fühlen, gewidmet. Wir erstellten zum Beispiel ein Group Agreement, indem wir einstimmig Regeln für die gemeinsame Zeit beschlossen. Das trug dazu bei, dass die Arbeit miteinander auf eine sehr wertschätzende Weise stattfand. Ich denke, dies kann bereits als Beispiel dafür gesehen werden, wie eine Kultur des Friedens gefördert werden kann. Weiters möchte ich zwei der Methoden vorstellen, die wir explizit als Werkzeug für die Förderung von Frieden kennenlernten und die mir besonders in Erinnerung blieben.
Emrah, ein Trainer der Organisation Peace Action, zeigte uns mit „fair approach to the past“ eine wirkungsmächtige Methode, um mit bereits bestehenden Konflikten zu arbeiten. Dabei werden die Teilnehmenden aufgrund eines Merkmals in Gruppen eingeteilt. Wir nahmen dafür die Geschlechtsidentität, Emrah arbeitet oft mit Ethnien im Kontext der Konflikte am Balkan. Die Gruppen überlegen sich, wie sie die anderen unterstützen können und schreiben dabei mit. Anschließend haben alle Zeit, die Ergebnisse zu lesen und bei den anderen hinzuzufügen, was sie von ihnen darüber hinaus bräuchten.
Eine andere Methode verwendeten wir beim Public Event, welches vor dem „social space for deconstruction”, ein von GAIA Kosovo bereitgestellter safe space, stattfand. „Anti militarist Utopia“ begann mit einer Traumreise ins Jahr 2062, wo es keine Waffen mehr gibt. Mithilfe von Fragen stellten wir uns im entspannten Zustand vor, wie die Welt so aussehen würde. Für mich war das zunächst erstaunlich schwierig, aber sobald es gelang, bemerkte ich ein intensives Gefühl der Erleichterung, welches Angst wich, als wir uns vorstellen sollten, eine Zeitreise zurück ins Jahr 2022 zu machen. Es war eine sehr spannende Erfahrung, welche wir auf kreative Weise mit einem Schreib, Zeichen- oder Theater der Unterdrückten Workshop weiterbearbeiteten, um die Produkte abschließend zu präsentieren.
Mitrovica
Dadurch, dass das Seminar in Mitrovica stattfand, wurde für mich die Relevanz des Inhalts viel präsenter. In dieser Stadt sind nämlich die Konflikte, die im Kosovokrieg eskalierten, noch deutlich spürbar. Mitrovica ist de facto in einen nördlichen, serbischen und einen südlichen, albanischen Teil durch den Fluss Iber getrennt. Die berühmte Brücke über den Fluss ist paradoxerweise – wird Brückenschlagen doch als Versöhnungsweg verstanden – ein Symbol dafür geworden.
Die Spannungen bekamen wir durch Berichte der im Süden der Stadt lebenden Teilnehmenden mit, aber auch im Zuge einer Stadtführung. Bei dieser sahen wir sowohl im Süden als auch im Norden viele Helden Denkmäler, die die gegnerische bewaffnete Seite als terroristisch eingestuften. Einem serbischen Polizisten war es offensichtlich wichtig, uns dies explizit nochmals zu sagen. Wir sahen aber auch Friedensbemühungen, Z.B. ein großes „Peace“ Graffiti und die Leute von GAIA Kosovo erzählten von ihren Versuchen, die serbische Bevölkerung in ihre Aktivitäten einzubinden. Viel Erfolg haben sie dabei noch nicht, die Wunden sitzen auch nach 20 Jahren noch zu tief. Es braucht wohl noch etwas Zeit und Anstrengungen in Richtung Versöhnung. Dadurch wird deutlich, wie wichtig es ist, „Methods against war“ zu haben.
Sonja Bertram nahm für den Versöhnungsbund am Seminar teil
|(1) Das Toolkit ist verfügbar unter: http://www.sci.or.at/wp-content/uploads/2020/01
Methods Against War
Written by Sonja Bertram
The article was published on german in the newspaper Spinnrad [2/2022]. SPINNRAD is the newspaper of the International Fellowship of Reconciliation – Austrian branch and is published quarterly and informs about current events on active nonviolence.
About 22 people, most of them between 20 and 30 years old, came to Kosovo from 1st to 6th of June 2022 to participate in a project on antimilitarism in the city of Mitrovica.
Seminar “Methods against war” was organized jointly by SCI (Service Civil International) Austria and GAIA Kosovo and was funded by the Erasmus+ program of the European Union. The focus was on the exchange and testing of different methods that can be used in the context of antimilitarism as well as on networking for upcoming projects.
The participants came from ten different countries (England, France, Greece, Italy, Kosovo, northern Macedonia, Austria, Serbia, Spain and Cyprus) and had different previous experiences with the seminar topic. Some were able to contribute to the topic, for example, through their membership and, in some cases, employment in organisations, whereas others through their professional activities, as well as their studies or personal interest. In this way, a lively exchange developed. In a short time, workshops were prepared and held, a public event was organised, and the methods tried out were recorded in the expansion of a toolkit(1) that was created in Vienna in 2019 as part of the “Peace on the Streets” project.
First, however, a lot of time was devoted to getting to know each other and figuring out how we could structure the week to make everyone feel comfortable. For example, we created a Group Agreement by deciding on a coherent set of rules for our time together. This contributed to working with each other in a very appreciative way. I think this can already be seen as an example of how to promote a culture of peace. Furthermore, I would like to present two of the methods that we explicitly learned about as a tool for promoting peace and that I particularly remembered.
Emrah, a trainer from the organisation Peace Action, showed us “fair approach to the past”, a powerful method to work with already existing conflicts. In this method, participants are divided into groups based on a characteristic. We took gender identity for this, Emrah often works with ethnicities in the context of the Balkan conflicts. The groups think about how they can support the others and take notes. Afterwards, everyone has time to read the results and add in what they would need from the others beyond that.
We used a different method at the Public Event, which took place in front of the “social space for deconstruction,” a safe space provided by GAIA Kosovo. “Antimilitarist Utopia” started with a dream journey to the year 2062, where there are no more weapons. With the help of questions, we imagined in a relaxed state how the world would look like that. For me, this was surprisingly difficult at first, but as soon as we succeeded, I noticed an intense feeling of relief, which gave way to fear when we were asked to imagine travelling back in time to the year 2022. It was a very exciting experience, which we continued in a creative way with a writing, drawing or theater of the oppressed workshop to finally present the products.
Mitrovica
The fact that the seminar took place in Mitrovica made the relevance of the content much more present for me. In this city, the conflicts that escalated during the Kosovo war are still clearly noticeable. Mitrovica is de facto divided into a northern, Serbian part and a southern, Albanian part by the river Iber. The famous bridge over the river has paradoxically become a symbol of this, since bridge-building is seen as a way of reconciliation.
We got to know the tensions through reports of the participants living in the south of the city, but also in the course of a city tour. During this tour, we saw many monuments to heroes, both in the south and in the north, which the opposing armed side classified as terrorist. It was obviously important to a Serbian policeman to explicitly tell us this again. But we also saw peace efforts, e.g. a big “Peace” graffiti and the people from GAIA Kosovo told about their attempts to involve the Serbian population in their activities. They have not had much success yet, the wounds are still too deep even after 20 years. It probably needs some more time and efforts towards reconciliation. This shows how important it is to have “Methods against war”.
Sonja Bertram participated in the seminar for the Fellowship of Reconciliation
(1) The toolkit is available at: http://www.sci.or.at/wp-content/uploads/2020/01